Blog

Delphi – der Erfolgsgeschichte auf der Spur

Nov 3, 2023

Interviews mit Speakern

Delphi hat eine lange Tradition. Die Programmiersprache wurde 1995 vorgestellt und verfügt auch 2023 noch über eine treue Community, die sich zum Beispiel auf der anstehenden EKON-Entwicklerkonferenz trifft. Wir haben mit Sprechern der EKON 2023 über die Erfolgsgeschichte Delphi und die aktuellen Entwicklungen im Delphi-Umfeld gesprochen. 1995 war ein gutes Jahr für Programmiersprachen: In dem...
Read More

Delphi hat eine lange Tradition. Die Programmiersprache wurde 1995 vorgestellt und verfügt auch 2023 noch über eine treue Community, die sich zum Beispiel auf der anstehenden EKON-Entwicklerkonferenz trifft. Wir haben mit Sprechern der EKON 2023 über die Erfolgsgeschichte Delphi und die aktuellen Entwicklungen im Delphi-Umfeld gesprochen.

1995 war ein gutes Jahr für Programmiersprachen: In dem Jahr wurden erste Versionen sowohl für Java, JavaScript, PHP als auch für Delphi vorgestellt. Wenn wir uns einmal auf Delphi konzentrieren: Was war deiner Meinung nach das Erfolgsrezept der Sprache, das dafür sorgte, dass auch heute noch eine aktive Entwickler-Community existiert?

Matthias Eissing: Es war nicht nur die Sprache, die Delphi zum Erfolg verhalf. Es war ein Gesamtkonzept, welches auf drei wesentlichen Säulen basierte und immer noch basiert: (i) Echter Compiler, der eine ausführbare Datei ohne Abhängigkeiten von DLLs oder einer Laufzeitumgebung erzeugt, (ii) umfangreiche und erweiterbare Klassenbibliothek mit visuellen Komponenten und (iii) visuelle, Formular-basierte Entwicklung mit Datenbankanbindung. Jedes für sich gab es auch jeweils in anderen Compilern, IDEs und Entwicklungsumgebungen: Compiler, wie C++; Komponenten, visuelle Entwicklung und ereignisorientierte Programmierung wie zum Beispiel VisualBasic; und Datenbank-zentrische Ausrichtung, wie Oracle Forms oder Sybase PowerBuilder.

Mit Delphi war das einzigartig – und ist es auch heute noch in vielen Bereichen. Delphi besitzt sicherlich immer noch die beste IDE, um visuell Windows Desktop-Anwendungen zu erstellen. Das hat selbst Microsoft mal in einer CeBIT realisiert, wo die AUTOSTART.EXE auf der tausendfach verteilten CeBIT-Demo-CD-ROM mit einem mir sehr bekannten Ich daherkam: Ja, es war ein Delphi-Programm!

 

„Mit Delphi war das einzigartig – und ist es auch heute noch in vielen Bereichen.“

 

Max Kleiner: Basierend auf der Sprache Pascal waren wir neugierig, endlich Turbo Pascal verlassen zu können und in die objektorientierte Komponentenwelt einzusteigen. Borland hatte ein cooles Image, die Architektur der VCL war seiner Zeit meilenweit voraus.

Christoph Schneider: Mitten während meiner Lehre als Elektroniker im Jahre 1984 erwarb ich meinen ersten Personal Computer, ein CASIO FP-1100. Dieser lief noch unter dem Betriebssystem CP/M und hatte damals noch keine Harddisk, dafür zwei 5.25” Floppy Disks. Die erste belegte die Betriebssystem-Diskette, in der zweiten steckte die neu erworbene Turbo-Pascal-Entwicklungsumgebung. Jahre später, mitten in meinem zweiten Informatikstudium, hatte ich mittlerweile auf IBM PC umgestellt, und dort setzte sich Windows als Bedieneroberfläche definitiv durch. Ich lernte mit Turbo Pascal für Windows die Programmierung der damals noch sehr komplexen Anwendungsentwicklung unter Windows kennen. Da war das VCL-Framework mit Delphi wirklich revolutionär einfach, und mein Vorteil war, dass ich die objektorientierte Erweiterung von Pascal bereits gut kannte. An Delphi schätzte ich sehr, dass ich mich nicht mehr mit allen Details von Windows herumschlagen musste, um ein Fenster auf dem Bildschirm zu zeichnen und auf Maus- und Tastatur-Eingaben zu reagieren. Mit diesem Werkzeug entwickelte ich zum ersten Mal wieder schneller Applikationen, als dies noch unter MS-DOS möglich war.

Bernd Ua:
Die Kombination aus schneller und grafischer Entwicklungsumgebung mit einer mächtigen aber sicheren Programmiersprache kam genau zu richtigen Zeit. Anders Hejlsberg hatte alles, was er für eine effektive Komponenten-basierte IDE brauchte, in die Sprache Pascal und dessen Objektmodell einfließen lassen und die Sprache entsprechend angepasst. Aber Delphi ermöglichte nicht nur das schnelle Erstellen von UI-Anwendungen für Windows, sondern auch ebenso einfach den Zugriff auf verschiedenste Datenbanken, und hat damit die Lücke, die sich zwischen Datenbanktools wie dBase, Paradox oder Access mit ihren Runtimes und klassischen Compilern wie Visual C++ aufgetan hat, perfekt gefüllt.

LUST AUF mehr DELPHI?

Erleben Sie Workshops vom 4. - 6. November in Düsseldorf



Matthias Eissing:
Oh, das ist eine lange Geschichte, die ich gerne mal bei einem Bier in Düsseldorf erzähle. Kurz: Über „Paradox für Windows“ und meine freiberufliche Tätigkeit während meiner Studienzeit. Es fing alles an beim Fruchtgummi- und Lakritz-Hersteller „Katjes“. Da habe ich 1993 eine Anwendung auf Basis „Paradox für Windows“ entwickelt. So kam ein engerer Kontakt mit Borland zustande, die dann schon bald einen „Application Builder“ aka „Delphi“ intern vorstellten. Von da ging es dann auch zu „Delphi 1.0″

Max Kleiner: Im 1995 galt es die Immobiliensoftware CalWin von VB auf 32-bit Delphi zu migrieren. Zudem baute ich eine Zugsteuerung von Turbo Pascal auf Delphi um, die Anforderung war damals, absolut kollisionsfrei zu funktionieren.

Bernd Ua: Ich wollte neben dem Chemie-Studium noch programmieren lernen, und aus dem ersten Kurs „Programmierung für Ingenieure“ konnte ich für mich vor allem eins herausziehen: Fortran war nicht die Sprache meiner Wahl. Dann habe ich mir jenseits der angebotenen Kurse C++ und Pascal angeschaut und fand letzteres eingängiger. Also habe ich mich mit Pascal beschäftigt und relativ bald eine Messdaten-Auswertung und -Erfassung zunächst mit Turbo Pascal für DOS und dann mit Borland Pascal für Windows geschrieben. Da war Delphi für mich quasi unausweichlich, als es herauskam, und praktischerweise konnte ich dann damals auch neben dem Studium direkt für Borland arbeiten.

Und was reizt dich heute noch an der Programmierung mit der Sprache?

Matthias Eissing: Es ist ja nicht nur die Sprache selbst. Es ist die integrierte Umgebung, die ja heute für Windows, Android, iOS/iPadOS und auch Linux kompilieren kann. Reizvoll ist sicherlich die leichte Lesbarkeit der Sprache selbst. Auch Projekte, die ich vor X Jahren mal erstellt habe, kann ich wieder lesen. Ja; das klingt banal. Es ist aber leider die Ausnahme von Programmiersprachen und auch insbesondere Frameworks, die als Hype mal wieder (kurz) durchs Dorf getrieben werden. Diese Lesbarkeit in Verbindung mit der Technologie-Konstanz – das ist es, was mich an Delphi selbst und auch der Sprache reizt.

Max Kleiner: Ich baue ständig mein Tool maXbox aus, und da sind auch noch etliche Anwendungen, wie SecureCenter oder Pas2JS, die weiterleben wollen. Auch die Möglichkeiten, in einer überschaubaren Community daheim zu sein, gefällt. Mit XE2 im Jahr 2011 kam ja die 64-Bit-Win Unterstützung und bald darauf auch MacOS, iOS und Android. Anfangs hätte ich nie gedacht, dass ich meine Fähigkeiten nutzen werde (tja, die Kunden fordern auch) und als Support anderer Plattformen einsetzen kann.

 

„Ein wichtiger Punkt ist immer die Abwärtskompatibilität zur alten Codebasis.“

 

Bernd Ua: Normalerweise reizt einen ja immer das Neue oder das Unbekannte, und das ist bei mir meistens genauso. Insofern wäre die Frage besser, was ich an Delphi schätze und nicht, was mich an Delphi reizt. Nach fast drei Jahrzehnten Delphi und noch länger Pascal gibt es da auch nichts für mich, was noch zu entdecken wäre. Der Hersteller und die Community sind da bei Delphi recht konservativ. Egal, was in der Sprache ergänzt wird, ist ein wichtiger Punkt immer die Abwärtskompatibilität zur alten Codebasis. Dementsprechend sind Must Haves wie generische Typen oder anonyme Methoden mit der Zeit dazu gekommen und haben die Sprache erweitert und aktualisiert, aber jeweils ohne die Brücken zu altem Code zu brechen. Wenn man in anderen Systemen Frameworks kommen und gehen sieht und sich vor Augen führt, wieviel Produktiv-Code dabei dann mit in die Tonne wandert und neu geschrieben werden muss, versöhnt das mit dem Umstand, dass einem das Feature X in der Entwicklungsumgebung oder das Feature Y in der Sprache fehlt.

Christoph Schneider: Nachdem mit Delphi 7 im August 2002 die letzte gute Version erschien, kam aus meiner Sicht erst wieder im Jahr 2009 eine spannende neue Version von Delphi heraus, die uns neue Sprachfeatures wie Generics und anonyme Funktionen sowie die überfällige Unicode-Unterstützung brachte. Als dann 2011 das Zeitalter für plattformunabhängige und native Entwicklung basierend auf dem neuen Framework Firemonkey gestartet wurde, war für mich klar, dass ich auch künftig auf diese Sprache setzen werde. Ab 2017 erhielt ich die Möglichkeit, ein größeres Projekt für einen Kunden zu erstellen, welches unter den beiden Betriebssysteme Windows und MacOS laufen sollte. Auch für die mobilen Plattformen iOS und Android erstellte ich mehrere Apps mit Firemonkey, welche mit der Desktop-Anwendung über eine Cloud-Datenbank kommunizierte.

Welche Entwicklung neueren Datums in der Delphi-Szene findest du besonders spannend?

Matthias Eissing:
Ganz ehrlich: Dass sich grundlegend nichts geändert hat. Klar: Moderne Programmierkonzepte wie Generics, anonyme Methoden, Handling von Threads durchs Tasks, Cross-Plattform-Entwicklung etc sind sehr willkommene und auch wünschenswerte Erweiterungen. Aber das grundlegende Prinzip ist weiterhin gleich. Technologie-Konstanz ist auch etwas, was Kunden wirklich schätzen: Dass man ein Projekt von „vor X Jahren“ portieren kann, mit kleinem/geringen Aufwand. Das ist für Projekte, die über den Lebenszyklus des nächsten Framework-Hypes hinausgehen, sehr wichtig geworden.

Max Kleiner: Delphi 11 wie auch das kommende 12 hat meiner Meinung nach die bisher beste Schnittstelle eingeführt, da sie (fast) vollständig anpassbar ist und ein API zum Bauen eigener Plug-ins bietet, um zusätzliche Funktionalität bereitzustellen. Das Thema API fasziniert mich am meisten, andere Funktionen anzuzapfen, um dann meistens in der (werbefreien) Konsole zu coden.

Bernd Ua: Ich finde es spannend zu sehen, wie sich zur Zeit gerade in den Schwellenländern wie Brasilien ein neuer Delphi-Hype entwickelt. Während es in Westeuropa und in Amerika ruhiger um Delphi geworden ist und wenig neue Entwickler zur Community dazustoßen, ist das in Brasilien zum Beispiel komplett anders. Bei Delphi-Konferenzen in Brasilien kommen problemlos mehr als tausend Leute zusammen, und auch neue Open-Source-Projekt werden dort gestartet.

Matthias, eine deiner Sessions auf der EKON heißt „Das Neueste vom RAD Studio – Neuigkeiten in Delphi.“ Was ist die Kernbotschaft, die jeder Teilnehmer mit nach Hause nehmen sollte?

Matthias Eissing: Es geht, wie der Titel schon sagt, um die Neuerungen der Version 12; soweit man innerhalb der Vorschau schon darauf eingehen kann, und welche Funktionen, Erweiterungen und Neuerungen denn auch schon (absehbar) da sind. Kann sich natürlich ändern 🙂 Die Kernbotschaft ist sicherlich: Delphi lebt, entwickelt sich weiter und wird auch hier den Entwickler besser unterstützen.

Max, du wirst auf der EKON das MachineLearningPackage vorstellen. Worum handelt es sich dabei?

Max Kleiner:
Es geht im Kern darum, vortrainierte Modelle aus verschiedenen Frameworks oder Tools zu integrieren, also das bereits bewährte und geprüfte Wissen im Supervised Learning einzusetzen. Man muss auch die Scheu verlieren und die eigene Komfortzone verlassen, um die gespeicherten neuronale Netze aus anderen Plattformen, deren Parameter bereits durch selbstüberwachtes Lernen trainiert wurden, ansatzweise zu verstehen.

Bernd, du hältst auf der EKON den Workshop „Docker für Delphi-Entwickler:innen“. Was wirst du den Leuten mitgeben?

Bernd Ua: Die meisten Delphi-Entwickler:innen arbeiten nach wie vor mit der VCL-Bibliothek und adressieren auch nur Windows als Zielplattform. Nur ein deutlich geringerer Teil der Delphi-Entwickler:innen baut tatsächlich Web-APIs mit Delphi oder schreibt mit der Firemonkey-Bibliothek Linux-Anwendungen. In dem WebApi/Linux-Szenario ist Docker ja quasi unverzichtbar, ich möchte aber auch reinen VCL- und Windows-Entwickler:innen zeigen, wo sie Docker einsetzen können und wie sie mit Docker ihren Werkzeugkasten sinnvoll erweitern.

Christoph, dein Talk auf der EKON heißt „Hybride Verschlüsselung ohne Libraries mit WinRT.“ Worum wird es gehen?

Christoph Schneider: Informationssicherheit ist für die allermeisten Entwickler zunehmend ein wichtiges Thema. In dieser Session wird das Schützen von Dokumenten und Nachrichten vor unerlaubtem Zugriff mittels kryptographischer Methoden behandelt. Für Windows-Anwendungen kann eine Verschlüsselung inzwischen gänzlich mit Delphi-Boardmitteln hergestellt werden. Es braucht keine Kryptobibliothek mehr, sondern nur Kenntnisse über den Aufbau der Hybridenverschlüsselung, um die symmetrischen und asymmetrischen Verschlüsselungsalgorithmen richtig zu kombinieren.

Nach einer kurzen theoretischen Einführung in die hybride Verschlüsselung zeige ich die Implementierung unter Verwendung der WinApi.Security. Detaillierte mathematische Erklärungen der eingesetzten kryptographischen Algorithmen kann ich dabei in der kurzen Zeit nicht geben. Doch werde ich auf sicherheitsrelevante Punkte bei der Wahl der Algorithmen und Konfiguration hinweisen. Das Thema des sicheren Schlüsselaustausch mittels Zertifikate kann in dieser Session nicht behandelt werden.

Vielen Dank für Eure Antworten!